Was CE-Level, Abriebfestigkeit und Materialien wirklich bedeuten
Motorrad-Schutzkleidung ist persönliche Schutzausrüstung. Sie hat eine klare Aufgabe: den Körper bei einem Sturz so gut wie möglich vor Verletzungen zu schützen. Dabei spielen nicht nur Protektoren eine Rolle, sondern vor allem das Zusammenspiel aus Material, Verarbeitung, Konstruktion und Normen. Viele Missverständnisse entstehen, weil diese Zusammenhänge selten verständlich erklärt werden.
Dieser Artikel erläutert, wie Schutzkleidung technisch funktioniert, welche Bedeutung CE-Level haben und warum Abriebfestigkeit und Materialwahl entscheidend sind.
Warum Protektoren allein keinen ausreichenden Schutz bieten
In der Praxis entstehen die meisten Verletzungen bei Motorradunfällen nicht durch den ersten Aufprall, sondern durch das anschließende Rutschen über den Asphalt. Während dieses Rutschens wirken hohe Reibungskräfte und Hitze auf die Bekleidung ein. Wenn das Außenmaterial frühzeitig versagt, liegt die Haut direkt auf der Fahrbahn. Die Folge: starke Abschürfungen und Verbrennungen der Haut.
Protektoren können Aufprallenergie dämpfen, sie schützen jedoch nicht vor Abrieb. Deshalb ist es technisch nicht sinnvoll, Schutzkleidung ausschließlich über die Qualität der Protektoren zu bewerten. Entscheidend ist immer die Kombination aus abriebfestem Außenmaterial, stabilen Nähten und korrekt positionierten Protektoren.
Bedeutung der CE-Norm EN 17092
Motorradbekleidung wird in Europa nach der Norm EN 17092 geprüft. Diese Norm bewertet das komplette Kleidungsstück als Einheit. Sie berücksichtigt nicht nur das Material, sondern auch die Verarbeitung, die Nahtfestigkeit und die Position der Protektoren.
Die Schutzklassen reichen von A bis AAA. Eine höhere Klasse bedeutet, dass das Produkt höhere Belastungen aushält. CE-A stellt den Mindestschutz dar, während CE-AA und CE-AAA für deutlich höhere Abrieb- und Reißfestigkeit stehen. Für den alltäglichen Straßenbetrieb stellt CE-AA einen technisch sinnvollen Standard dar, da Schutz und Tragekomfort ausgewogen sind.
Die CE-Zertifizierung ersetzt jedoch keine Risikobewertung. Sie zeigt, dass ein Produkt definierte Mindestanforderungen unter Laborbedingungen erfüllt. Reale Unfälle können davon abweichen, weshalb CE-Werte immer als Orientierung und nicht als absolute Sicherheit verstanden werden sollten. Bei einem Sturz spielen viele Faktoren eine Rolle, wie weit die Schutzbekleidung ihren Auftrag erfüllt. Dies werden wir jedoch an einer anderen Stelle ausgiebig erklären.
Was bei der CE-Prüfung getestet wird
Bei der Prüfung nach EN 17092 werden mehrere Eigenschaften überprüft. Dazu gehört die Abriebfestigkeit des Materials, bei der gemessen wird, wie lange ein Stoff dem Kontakt mit einer simulierten Asphaltoberfläche standhält. Zusätzlich werden Nähte auf Zugfestigkeit geprüft, da sie im Sturzfall stark belastet werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Stabilität der Protektorenposition. Protektoren müssen dort bleiben, wo sie vorgesehen sind, auch wenn sich die Kleidung beim Sturz verschiebt. Eine gute Passform ist deshalb nicht nur eine Komfortfrage, sondern ein sicherheitsrelevanter Faktor. In einem anderen Artikel erklären wir, was sich beim Kauf der Motorradausrüstung lohnt und was es zu beachten gilt.
CE-Protektoren und der Unterschied zwischen Level 1 und Level 2
Protektoren werden nach der Norm EN 1621 geprüft. Dabei wird gemessen, wie viel Energie beim Aufprall an den Körper weitergegeben wird. Level-1-Protektoren lassen eine höhere Restkraft zu als Level-2-Protektoren.
Technisch bedeutet das, dass Level-2-Protektoren die Belastung für Knochen und Gelenke deutlich stärker reduzieren. Moderne Materialien ermöglichen diese höhere Schutzwirkung, ohne dass die Beweglichkeit spürbar eingeschränkt wird. Aus technischer Sicht bieten Level-2-Protektoren deshalb einen klaren Sicherheitsvorteil, insbesondere an stark belasteten Körperstellen wie Schultern, Ellbogen, Knien und Rücken. Preislich sind Level-2-Protektoren auch häufig teurer als Level-1-Protektoren.
Abriebfestigkeit als entscheidender Schutzfaktor
Abriebfestigkeit beschreibt die Fähigkeit eines Materials, dem Kontakt mit der Fahrbahn standzuhalten. Beim Rutschen entstehen hohe Temperaturen und mechanische Belastungen. Versagt das Material, kommt es schnell zu schweren Hautverletzungen.
Schon geringe Unterschiede in der Abriebdauer können einen großen Einfluss auf das Verletzungsrisiko haben. Deshalb wird in der Entwicklung von Schutzkleidung besonderes Augenmerk auf stark belastete Zonen gelegt. Diese Bereiche müssen deutlich höhere Abriebwerte aufweisen als weniger exponierte Flächen.
Materialien und ihre Schutzwirkung
Leder gilt aufgrund seiner gleichmäßigen Struktur und hohen Abriebfestigkeit seit Jahrzehnten als Referenzmaterial. Es bietet sehr guten Schutz, ist jedoch schwerer, weniger belüftet und pflegeintensiver als Textil.
Textilbekleidung kann ein vergleichbares Schutzniveau erreichen, wenn hochwertige Materialien eingesetzt werden. Hochfeste Polyamide wie Cordura weisen deutlich bessere Abrieb- und Reißwerte auf als einfache Textilien. Allein verwendet reichen sie für mittlere Schutzklassen, in Kombination mit Verstärkungen auch für höhere Anforderungen.
Aramidfasern wie Kevlar oder Twaron zeichnen sich durch sehr hohe Hitze- und Abriebbeständigkeit aus. Sie werden meist als zusätzliche Lage in Sturzbereichen eingesetzt. Dort erhöhen sie die Schutzwirkung erheblich, ohne den Tragekomfort stark zu beeinflussen.
Moderne Fasern wie UHMWPE, bekannt unter dem Handelsnamen Dyneema, bieten eine sehr hohe Festigkeit bei geringem Gewicht. Besonders bei Motorradjeans können sie sinnvoll sein. Die tatsächliche Schutzwirkung hängt jedoch stark von der Verarbeitung und vom Materialanteil ab.
Warum der Materialmix entscheidend ist
Motorradbekleidung muss unterschiedliche Anforderungen erfüllen. Sturzbereiche benötigen maximale Abriebfestigkeit, Bewegungszonen müssen flexibel sein und klimatische Anforderungen verlangen nach Belüftung. Diese Anforderungen lassen sich nicht mit einem einzigen Material erfüllen.
Hochwertige Schutzkleidung ist deshalb immer zonal aufgebaut. Unterschiedliche Materialien werden gezielt dort eingesetzt, wo ihre Eigenschaften sinnvoll sind. Produkte mit sehr einfachem Materialaufbau erreichen diese Balance meist nicht und bieten entsprechend geringeren Schutz.
Die Bedeutung der Nähte
Nähte sind häufig die Schwachstelle eines Kleidungsstücks. Auch sehr abriebfeste Materialien verlieren ihre Schutzwirkung, wenn die Naht reißt. Deshalb werden in sicherheitsrelevanten Bereichen spezielle Nahtarten und hochfeste Garne verwendet.
Doppelte oder überlappende Sicherheitsnähte erhöhen die Stabilität erheblich. Diese Konstruktionsdetails sind für den Endkunden schwer erkennbar, haben jedoch einen großen Einfluss auf die Schutzwirkung.
Belüftung und Sicherheit im technischen Spannungsfeld
Belüftung erhöht den Tragekomfort, reduziert jedoch oft die Abriebfestigkeit. Großflächige Mesh-Einsätze bieten kaum Schutz gegen Asphaltkontakt. Aus technischer Sicht sollten solche Materialien niemals in primären Sturzbereichen eingesetzt werden.
Sinnvolle Belüftung wird durch kontrollierte Öffnungen, Luftkanäle und atmungsaktive Membranen erreicht. Dabei bleibt die schützende Grundstruktur erhalten.
Fazit: Technisches Verständnis erhöht die Sicherheit
Motorrad-Schutzkleidung erfüllt ihre Aufgabe nur dann zuverlässig, wenn Material, Konstruktion und Normen aufeinander abgestimmt sind. CE-Level geben eine Orientierung, ersetzen jedoch kein Verständnis für Abriebfestigkeit, Materialqualität und Verarbeitung.
Wer diese technischen Grundlagen kennt, kann Schutzkleidung besser einschätzen und bewusster auswählen. Damit wird nicht jeder Unfall verhindert, aber das Risiko schwerer Verletzungen wird deutlich reduziert.
Wenn Du mehr zum Thema erfahren möchtest, können wir Dir folgende Nachschlagewerke und Quellen anbieten.
Quellen:
- Maids – In-Depth investigation of motorcycle accidents
- CE marking – Internal Market, Industry, Entrepreneurship and SMEs





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